3.Juni 2014

Heute habe ich meine gesamte Kletterausrüstung von ihrem angestammten Platz entfernt: Sie wartet nun auf ihre weitere Verwendung durch meinen Sohn und durch Freunde.

Habe ich das Klettern aufgegeben? Nein!

Bin ich kein Kletterer mehr? Doch, das werde ich immer bleiben!

Aber: ich werde nicht mehr Klettern gehen.

Es ist ein wehmütiger Entschluss. Doch ich empfinde eine tiefe Dankbarkeit, für das, was mir gegeben wurde.

Spätlese: Orpierre 6b+

Viele Kämpfe waren gekämpft, vieles war geklärt. Und so gelangen mir in meinen 60er Jahren noch einige Touren an meinem geriatrischen Limit. Nichts mehr müssen, aber geniessen was noch geht - so durfte ich das Klettern nochmal in seiner ganzen Schönheit erleben.

Ohne Ute, die Erfüllung meiner späten Lebensträume, gar nicht denkbar.

Alles was ich in meinem Leben erreicht hatte, alles was ich geworden bin, ist durch das Klettern geprägt.

Klettern gibt der tiefen Erkenntnis "es ist, wie es ist" erst ihren dynamischen Sinn. Für uns Menschen werden die Dinge, Umstände und Situationen erst durch unser Zutun zu dem was sie sind. Klettern lehrt, dass man Situationen herbeiführen kann und manchmal auch muss. Aber Klettern lehrt weiterhin, dass mit dem Herbeigeführten dann auch zurechtgekommen werden muss. Am Beispiel Klettern wird der Unterschied zwischen Fatalismus und einer stoischen Unerschütterlichkeit deutlich. Mein Biss in Situationen in denen ich ihn für angebracht hielt, aber auch meine oft kritisierte Wurstigkeit, die aber eher einer stoischen Betrachtungsweise entsprang, haben sich am Klettern herausgebildet. Es gab eine Niederlage in meinem Leben, in der ich diesen Leitfaden aus der Hand gab - das Ergebniss war dann für mich und Beteiligte dementsprechend.

Es war im Juli 1964, als mich ein paar Jungs zu meiner ersten Klettertour am Fünf-Finger-Fels mitnahmen. Der Animals-Song "we gotta get out of this place" bekam mit einem Mal ein Ziel. Nicht gegen den Beton der Neubaughettos der Nachkriegszeit anrennen, sondern diese hinter sich zu lassen, war der Weg.

Und, meine Fresse: was für ein Weg! Was für Erinnerungen!

Meine erste Tramptour in die Tannheimer und der Fuchs, der in den ersten Sonnenstrahlen 10m von mir entfernt durch die Wiese schnürte, auf der ich im Schlafsack übernachtete. - Mein Alleingang über den sehr leichten Westgrat der Kellespitze und der daraus entstehende Irrtum ich sei ein Bergsteiger.

Der Flush am Gipfel, nachdem ich den sehr alpinen Nordwestgrat des Piz Linard alleine durchstiegen hatte. Und die Qual des Abstieges, als mir erst dort auffiel wieviel Energie mich dieser Alleingang gekostet hatte.

Einige schwere Routen fielen mir praktisch zu. Aber es gab auch technisch einfache Touren, die ich mir hart erkämpfen musste.

Und es gab die Situationen in denen ich meine Begrenzheit aktzeptieren musste. Als Beispiel die Tour mit Peter in den Tannheimern. Nach einer gewittrigen Nacht im Zelt, haben wir uns nach dem Abtrocknen der Wände zu einer der Südwandrouten am Gimpel aufgemacht. Bis ein Hund auf dem Weg unter der Gimpelsüdwand meinen Vorwärtsdrang bremste. Meine Hundephobie lies ein weitergehen nicht zu. Peter war stocksauer und lies sich auch nicht mehr zu einem anderen Ziel überreden. Es wurde eine sehr schweigsame Heimfahrt.

Und dann waren da noch die Jahre in denen ich mit sehr wenig "Moral" kletterte. Bis ich dann nach einer Panikattacke an einem Standplatz beschloss, nicht mehr zu klettern. In den Jahren 1988 und 1989 war wichtiges zu klären.

Die Ironie meines Kletterlebens besteht darin, dass mir in der Zeit meines besten Levels, die Psyche viele Streiche spielte. So auch in der Similaun an den Sonnenplatten. Am Ende der zweiten und schweren Seillänge drängte ich Norbert zum Rückzug. Der wiederum war durch den von mir erzwungenen Rückzug so "geladen", dass die Entladung am Wandfuss in die Solobegehung einer 12 Seillängentour im 5. Grad mündete.

Meine geplante Tour mit dem Tretroller nach Marokko wäre ohne das Klettern nicht einmal denkbar gewesen. So aber unternehme ich sie einfach. Und das ist es, was mich für immer mit dem Klettern verbunden sein lässt: Es ist alles da, man muss es nur sehen wollen!

Und zum Tretroller: Diese ganz hervorragende Trail- und Geländegerät war es, das mir das Loslassen vom Klettern enorm erleichtert hat.

 

Jahrgang 1949

-Klettern by all means seit 1964

-1 Jahr Knast wegen erwiesenem Schwachsinn.

-Berufungen u.a. als Gärtner, Aushilfskoch, Coach und Monteur.

-Einen sehr gelungenen Sohn.

-Mit einer Frau verbandelt, die auf allen Gebieten mindestens 1 Kunststück kann.

-Die letzen Jahre mehr auf dem mtb denn am Fels-

und die Wüsten als neue Spielwiese entdeckt.

-Fazit: das was wichtig ist, ist letzlich gut geworden. die Jahre in denen es nicht so gut lief, sind nur der Preis, der dafür nötig war.